1936 Lehrer Nolte übernimmt die Schule
Lehrer Josef Nolte: Er baute für sich, seiner Frau Gertrud und seinen 4 Kindern ein Haus in der Blumenstra�e. Seine Witwe lebte noch bis in die 80-Jahre dort.

Im Jahr 1936 übernahm der bis heute unvergessene Lehrer Josef Nolte seinen Dienst an der einklassigen Volksschule Gro�emast. Die Schülerzahl war auf 66 Kinder angewachsen. Aus den Erinnerungen seiner ehemaligen Schüler geht hervor, da� Josef Nolte ein fähiger Landschulpädagoge war. Dies belegen auch die Klassenbücher und Wochenprotokolle aus der damaligen Zeit, die vereinzelt noch vorliegen.
In diesem Jahr lie� Adolf Hitler seine Armee das entmilitarisierte Rheinland besetzen und durchbrach damit �bereinkünfte aus dem Versailler Vertrag. �sterreich wurde dem Deutschen Reich angegliedert, die Tschechoslowakei von deutschen Truppen besetzt und zerschlagen.
Der zweite Weltkrieg kündigte sich an. Dazu nahmen die �bergriffe auf die jüdische Minderheit in unserem Land, auch in Vreden, ständig zu und mündeten in den Ereignissen der beschämenden Reichskristallnacht und der Deportation und dem Tod unserer jüdischen Mitbürger.

Die Schule im Griff der Nationalsozialisten
Klassenzimmer um 1900

Den Priestern wurde damals verboten, die Schulen zu betreten. Damit entfiel der bis dahin übliche Katechismusunterrrjcht. Lehrer Nolte erteilte nun neben dem erlaubten Bibelunterricht auch Katechismusunterrrjcht und scheute sich nicht, im Unterricht darauf hinzuweisen, da� man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen. Gegenüber dem totalen Machtanspruch der Nazis mu�te dies als Herausforderung wirken. In seinen Lehrberichten sucht man vergeblich nach Unterrichtsstoffen, die sich mit der Rassenlehre und Vererbungslehre im nationalsozialistischen Sinne befa�ten, obwohl die Vermittlung dieses Unterrichtsgegenstandes amtlich verordnet war. Nur hier und da findet man in seinen Lehrberichten nationalsozialistisches Liedgut, dazu einige Lesestücke. Getreulich führte er die Kinder zu den Betstunden und begleitete ihre Lieder an der Orgel der Pfarrkirche St. Georg. In der Schulchronik findet man kein Wort der Verherrlichung des Nationalsozialismus, vielmehr Worte der Trauer und des Mitleids, wenn er im Krieg den Tod eines Soldaten aus einer Gro�emaster Familie eintrug. Auch Lehrer Nolte konnte sich nicht dem Diktat der Nazis entziehen. Er mu�te erleben, wie die Schule umbenannt wurde in "Volksschule Gro�emast". Dann mu�te er das Kreuz von der Stirnseite des Klassenzimmers herunterholen und durch ein Adolf-Hitler-Bild ersetzen. Das Schulgebet wurde verboten. Der Ausbruch des Weltkrieges bedrängte den Lehrer und seine Kinder noch mehr. Schon vorher mu�ten die Kinder Plaketten und Abzeichen für das Winterhilfswerk verkaufen. Nun kam die wöchentliche Sammlung von Altmaterial hinzu. Auf den Schulhöfen stapelten sich damals Berge von Alteisen, Buntmetallen, Spinnstoffen, Papier und Knochen, die für die Kriegswirtschaft dringend gebraucht wurden. Dazu kam nun im Sommer das Sammeln und Trocknen von Heilkräutern: Brombeer-, Himbeer- und Eschenblätter, Blüten von Linden, Taubnesseln und Schafgarbe. Auf dem Dachboden der Schule wurden die Heilkräuter getrocknet und versandfertig in gro�e Säcke gepackt. An einem Wochentag im Sommer wurden die Kartoffelfelder nach Kartoffelkäfern abgesucht. Man glaubte, da� dieser Schädling in Massen aus den alliierten Flugzeugen über Deutschland abgeworfen wurde. Wegen des Abwurfs von Brandplättchen mu�ten die Schulkinder die Wälder von trockenem und verdorrtem Holz befreien. Zur Vorbereitung auf den Wehrdienst mu�te
der Unterricht erweitert werden um das Fach "Flugmodellbau". Eine Anekdote am Rande: Herr Nolte war über den Sieg der Stadt-Schüler beim ersten Schul-Vergleichskampf 1940 so verärgert, dass er mit seinem Schüler Gerhard Wesseler sich was ganz neues einfallen lieÃ?, und zwar eine Hochstart-Vorrichtung aus mehreren Nähgarnrollen, die die Zugeschwindigkeit nach dem Flaschenzugprinzip wesentlich erhöhte. Mit dieser technischen Raffinesse erflogen sich die GroÃ?emaster dann im nächsten Wettkampf die Spitzenplätze. Wenn die Ferien begannen, wurde am Fahnenmast die Hakenkreuzfahne gehiÃ?t. Mit erhobener rechter Hand sangen die Kinder die erste Strophe des Deutschlandliedes und danach das Lied vom SA-Mann Horst Wessel.

Kinder aus dem Ruhrgebiet werden evakuiert
Hauptlehrer Josef Nolte und die Mädchen aus der Oberklasse

Vermehrt wurden damals die jungen und älteren männlichen Einwohner unserer
Bauernschaft eingezogen zum Kriegsdienst. Immer häufiger muÃ?ten deshalb die Schulkinder landwirtschaftliche Arbeiten auf den Höfen übernehmen. Die Belastung des Lehrers und der Schulkinder verstärkte sich in der Schule erheblich, als die Alliierten ihre Luftangriffe auf deutsche Städte und Industrieanlagen ausweiteten. Der Luftkrieg tobte besonders über dem Ruhrgebiet. Deshalb wurden die Ruhrgebietskinder evakuiert. Viele Kinder aus Marl-Hüls fanden damals Aufnahme bei GroÃ?emaster Familien. Allein im Jahr 1942 wuchs die Schülerzahl auf 79 Kinder, im Jahr 1943 sogar auf 97 Kinder. Ein geordneter Schulbetrieb war überhaupt nicht mehr möglich. Deshalb erhielt die Schule GroÃ?emast die Lehrerin Frl. Scholbrock aus Bottrop zugewiesen. Die Kinder wurden schichtweise unterrichtet, morgens die Oberklassen, am Nachmittag die unteren Jahrgänge. 1945 pendelte sich die Schülerzahl wieder auf 66 Kinder ein. Wegen des abzusehenden  Kriegsendes holten die Eltern aus Marl-Hüls ihre Kinder in die bombengefährdete Stadt zurück. Frl. Scholbrock wurde deshalb an die Schule Ellewick abgeordnet.

Das Ende des Krieges naht

Im Herbst 1944 landeten englische Fallschirmtruppen bei Arnheim. Die Front rückte in die Nähe unserer Heimat. Nach den Herbstferien fiel der Unterricht aus, denn Lehrer Nolte mu�te mit den älteren Schülern ausrücken zu Schanzarbeiten. Zwischen Stadtlohn und Vreden wurde der sogenannte "Westfalenwall" gebaut, der die anrückenden alliierten Truppen aufhalten sollte. Am 21.November 1944 wurde der Unterricht wieder aufgenommen. Doch nun drohte vermehrt Gefahr durch die englischen und amerikanischen Tiefflieger, die ohne Gegenwehr der deutschen Luftwaffe den gesamten Luftraum über unserer Heimat beherrschten. Einige Tieffliegerpiloten griffen auch zivile Ziele an. Pflügende Bauern wurden auf ihren Feldern beschossen und getötet. Der Unterricht mu�te nun immer häufiger unterbrochen werden wegen dieser beängstigenden Gefahr.

Vreden wird zerstört
Mehr als 40% des Vredener Stadtkerns waren gänzlich zerstört.

Am 21. März 1945 wurde am Nachmittag innerhalb einer Stunde unsere Heimatstadt Vreden bei einem Luftangriff zerstört. Unter den fast 200 Toten befanden sich auch 15 Bewohner unserer Bauernschaft Gro�emast. Besonders beklagt Herr Nolte in seinen Aufzeichnungen auch den Tod des Schülers Franz-Josef Sumelka aus Gelsenkirchen, eines der evakuierten Kinder aus dem Ruhrgebiet. Aus Gräben und anderen Deckungen konnten die Menschen in Gro�emast beobachten, wie die Kirchen zu Schutt und Asche zerfielen und ganze Stra�enzüge zerstört wurden. Dann setzte die Flucht der Menschen aus der Stadt ein. Die unglücklichen Stadtmenschen fanden Nahrung und Unterkunft bei den Bauernfamilien unseres Kirchspiels. Jede Familie in Gro�emast beherbergte bekannte und unbekannte Menschen, die oft nichts mehr hatten als ihre Kleider am Leib. Noch am Abend wurde in der Schule ein Lazarett eingerichtet. Nach einigen Tagen verlie�en die Verletzten den Schulraum, und die Gemeinde-verwaltung Ammeloe bezog die Schule.

Englische Panzer auf dem Schulhof
Englische Soldaten mit ihren Panzern während des 2. Weltkrieges

Dann kam das Kriegsende. Am Karfreitag 1945, neun Tage nach dem gro�en Bombenangriff auf Vreden, stie�en englische Panzerspitzen über den Südlohner Diek nach Norden vor, Am Karsamstag fuhren englische Panzer auf dem Schulhof auf und besetzten auch die Bauernhöfe. Das Schulgebäude blieb unbeschädigt. Als die englischen Truppen abzogen, konnte Lehrer Nolte feststellen, da� die Soldaten weder Möbel noch anderes Schulinventar beschädigt oder gar zerstört hatten. In seinen chronistischen Aufzeichnungen beklagt er den Tod von 18 Soldaten aus Gro�emast ohne Vermi�te. Er konnte noch nicht wissen, da� in den letzten Kriegsmonaten im Jahr 1945 und später noch 13 tote Soldaten zu beklagen waren. Die Engländer setzten eine Militärregierung ein. Die Militärregierung setzte den im Jahre 1934 abgesetzten Bürgermeister Dr. Bisping wieder in sein Amt als Bürgermeister von Vreden und Ammeloe ein. Der im Jahr 1933 amtsenthobene Konrektor der Rektoratschule in Vreden, Dr. Theodor Böcker, wurde zum Schulrat für den Landkreis Ahaus bestellt.